HNA HGSHeinz-Günther Schneider wird nach über 40 Jahren im Lehrerberuf in den Ruhestand verabschiedet (von Thomas Hofmeister)

BATTENBERG. Nach über 42 Jahren im Schuldienst wird Heinz-Günther Schneider (65), Pädagogischer Leiter an der Gesamtschule Battenberg, am 30. Januar in den Ruhestand verabschiedet. „Lehrer müssen heute Animateure sein. Man muss die Schüler für eine Sache begeistern, man muss sie packen können“, sagt der Pädagoge, Kommunalpolitiker und Naturschützer im Interview mit der HNA.
Herr Schneider, wann haben Sie sich entschieden, Lehrer zu werden? HEINZ-GÜNTHER SCHNEIDER: Der erste Anstoß kam durch meinen Onkel, den Hauptlehrer Wilhelm Schneider. Er hat mich geprägt. Damals war ich zehn Jahre alt.
Es waren andere Zeiten. SCHNEIDER: Das kann man wohl sagen. Der Bus fuhr morgens um 6.20 Uhr ab Laisa zur Edertalschule nach Frankenberg. Gegen 14 Uhr kam ich zurück. Beim Nachmittagsunterricht bin ich mit dem Fahrrad zum Zug nach Battenberg gefahren.
Sie haben in Gießen studiert. SCHNEIDER: An der Justus-Liebig- Universität. Die Uni platzte damals aus allen Nähten – wir kamen zunächst nirgendwo in Seminare rein. Das erste Semester war ein Streik-Semester. Wir Jusos – unter anderem Reinhard Kahl und ich – haben damals mit zum Streik aufgerufen. Das war meinem Vater in Laisa schwer zu vermitteln. Denn das Zimmer in Gießen kostete 200 DM im Monat. Das war damals sehr viel Geld.
Wo fanden Sie ihre erste Anstellung? SCHNEIDER: 1976 an der Friedrich-Trost-Schule in Frankenberg – eine Zwei-Drittel- Stelle als Angestellter. Ich bekam 1000 DM im Monat. Für einen jungen Familienvater – meine älteste Tochter war gerade geboren – war das schon hart. Dennoch: Ich möchte die drei Jahre an der Friedrich- Trost-Schule nicht missen. Von den Erfahrungen zehre ich bis heute, wenn es um lernschwächere und verhaltensauffällige Schüler geht.


Wie kamen Sie nach Battenberg? SCHNEIDER: Ich habe mich auf eine Funktionsstelle als 2. Konrektor an der damaligen Mittelpunktschule beworben. Julius Haase war damals Rektor, Reinhard Kahl Konrektor. Kurze Zeit später ging Herr Haase in den Ruhestand. Und dann wurde Reinhard Kahl in den Landtag gewählt. Da musste ich die Schule über ein Jahr kommissarisch leiten.
Sie haben mit dafür gekämpft, dass aus der Mittelpunktschule eine Gesamtschule wurde. SCHNEIDER: Das war damals ein ideologischer Kampf zwischen SPD und CDU, es gab heiße Diskussionen. Was war Ihre Überzeugung? SCHNEIDER: In der Realschule saßen damals mindestens ein Drittel verkappte Gymnasiasten. Diesen begabten Kindern wollten wir ein wohnortnahes gymnasiales Angebot ermöglichen. Aber damals scheuten viele Eltern nach der Grundschule die weiten Wege, beispielsweise von Hatzfeld oder Dodenau nach Frankenberg. Eine Schülerin, die damals fast in allen Fächern Einsen schrieb, ist übrigens heute Lehrerin an unserer Schule.
Wie ist Ihr Verhältnis zur Technik? SCHNEIDER: Ich weiß noch, wie der spätere Schulleiter Helmut Frenzl 1984 in der Gesamtkonferenz über den Einsatz des Computers im Unterricht referierte. Für viele von uns waren das böhmische Dörfer. Heute ist der Computer aus dem Unterricht nicht mehr wegzudenken. Meinem Enkel Jannis habe ich gesagt: Wenn der Opa pensioniert ist, kauft er sich ein Smartphone, damit wir samstags die Ergebnisse der Fußball-Bundesliga live verfolgen können. Er ist Schalke-Fan, ich Anhänger von Eintracht Frankfurt.
Wie hat sich Schule in den letzten 40 Jahren verändert? SCHNEIDER: Man kann nicht per se sagen, die Schüler seien schlimmer geworden. Es gab auch früher Schüler, die einen zur Weißglut bringen konnten. Solche Knackohren hat es immer gegeben. Nach meinem Eindruck ist die Einstellung vieler Schüler heute phlegmatischer. Einige behaupten, sie hätten „null Bock“ auf Lernen. Das hängt sicher auch mit den neuen Medien zusammen. Nach dem Motto: Ich kann ja alles googeln. Aber die Lernbereitschaft hat deutlich nachgelassen. Bei Arbeiten waren die Schüler früher konzentrierter.
Hat sich auch die Rolle des Lehrers in den letzten Jahrzehnten verändert? SCHNEIDER: Lehrer müssen heute Animateure sein. Man muss die Schüler für eine Sache begeistern, man muss sie packen können. Sie gelten als Mann des Ausgleichs. SCHNEIDER: Als Kind in der Trachtengruppe habe ich die Volksmusik kennengelernt, zu Hause habe ich Jimi Hendrix gehört. Im Auto läuft bei mir manchmal eine Oberkrainer- CD und im nächsten Moment Carlos Santana. Ich versuche immer, Gegensätze nicht als Gegensätze zu leben, sondern zu integrieren. Ich war nie ein Fundamentalist.
Wie ist es für Sie ganz persönlich, wenn man nach so vielen Jahren im Beruf die letzten Arbeitstage schwinden sieht? SCHNEIDER: Wir sitzen gerade am Stundenplan für das zweite Halbjahr. Zu Beginn letzter Woche hat Frau Muth-Heldmann den Namen H.-G. Schneider gelöscht. Für mich war das die Botschaft: Jetzt wird’s ernst. Aber ich werde der Schule sehr eng verbunden bleiben, werde den Kontakt zum Kollegium halten. Und ich werde im Ganztagsangebot die Naturschutz-AG weiterhin anbieten – in der Hoffnung, dass die Schüler das weiterhin bei so einem alten Knacker machen (lacht). Es ist schon ein bisschen emotional. Aber ich freue mich auf die Zeit nach der Pensionierung. Jeder Mensch ist zu ersetzen.


Hintergrund: Pädagogischer Leiter Was macht eigentlich ein Pädagogischer Leiter? Schneider: „Erzieherische Arbeit und Inhalte, die Koordination der Fächer. Anschaffung von Lehr- und Lernmedien. Was heute ein Schulsozialarbeiter macht, war früher auch Arbeit des Pädagogischen Leiters – alle kniffligen Fälle kamen zu mir. Auch die Gestaltung des Stundenund Vertretungsplanes gehörte zu meinen Aufgaben. Und ich war für den Bereich Schülertransport zuständig. Das ist ein heißes Eisen, denn vier Fünftel unserer Schüler sind Fahrschüler.“ Den Pädagogischen Leiter gibt es in Zukunft nicht mehr. „Ich bin ein lebendes Fossil – einer der letzten Pädagogischen Leiter in Hessen“, sagt Schneider. Seine Aufgaben werden auf die Schulleitung verteilt. Die Funktionsstelle wird mit anderen Aufgaben neu besetzt. (off)

Zur Person HEINZ-GÜNTHER SCHNEIDER (65) ist Pädagogischer Leiter an der Gesamtschule Battenberg. Nach der Volksschule in Laisa wechselte er zur Edertalschule nach Frankenberg und bestand dort 1970 das Abitur. An der Justus- Liebig-Universität in Gießen studierte er Biologie und Sozialkunde für das Lehramt an Hauptund Realschulen. Es folgte das Referendariat, das er an der Mittelpunktschule Battenberg mit dem 2. Staatsexamen im Dezember 1975 abschloss. Nach einem Lehrauftrag am Gymnasium in Eschwege wurde Schneider von 1976 bis 1979 angestellter Lehrer an der Friedrich-Trost- Schule (Sonderschule) in Frankenberg. 1979 kam er als 2. Konrektor an die damalige Mittelpunktschule Battenberg, wo er bis heute als Pädagogischer Leiter tätig ist. Seine politische Heimat hat Heinz-Günther Schneider seit über 40 Jahren in der SPD. Über viele Jahre war er Stadtverordneter, Fraktionsvorsitzender und über 20 Jahre Stadtverordnetenvorsteher. Ebenfalls seit Jahrzehnten engagiert sich Heinz- Günther Schneider für den Naturschutz. Unter anderem ist er Kreisvorsitzender im Naturschutzbund (NABU). 33 Jahre lang engagierte sich Schneider als Jugendleiter und Vorsitzender im Sportverein seines Heimatdorfes, dem TSV Laisa. Weiterhin ist Schneider begeisterter Sänger im MGV Laisa. Nach dem Tod seiner Frau vor sechs Jahren ist Heinz-Günther Schneider verwitwet. Aus der Ehe gingen drei Töchter hervor, die alle verheiratet sind. Inzwischen gibt es vier Enkelkinder. (off)

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